Zur Weihnachtszeit verschicken noch immer etliche Menschen per Post Grüße an ihre Lieben, Kunden oder Geschäftspartner. Oft sind auch Briefe an den Weihnachtsmann oder das Christkind dabei. Tatsächlich kommen die auch an.
Unaufhaltsam schieben sich hunderte Sendungen durch die Papierrinne, wie ich sie nenne. Hier in der Briefordnerei des Briefsortierzentrums Leipzig laufen derzeit ca. 180000 angelieferte (Brief-)Sendungen täglich zusammen. Großbriefe, Kurzbriefe, Warensendungen, Postkarten usw., ein Papierfluss, der kontinuierlich vorwärts rollt.
Es dröhnt, kracht und scheppert. Ganz normal.
Wie meine Kolleg:innen „fische“ ich einen Arm voll unterschiedlichster Sendungen aus der Rinne und stapel sie auf meinen angrenzenden Arbeitstisch. Dann wird jeder einzelne Brief auf Frankierung, Gewicht, Adresse (ja, die wird immer wieder vergessen) und Sendungsart überprüft und in vorbereitete Kisten abgelegt, die dann an die artspezifischen Sortiermaschinen weitergeleitet werden. Offene, adresslose und beschädigte Post geht in eine gesonderte Abteilung.
Die zweite Aufgabe besteht in der „Entwertung“, sprich den Stempel mit aktuellem Datum über manche Sendungen rollen. So entsteht ein Rhythmus: „fischen“, sortieren, stempeln. „Fischen“, sortieren, stempeln. Und das in flottem Tempo.
Und dann liegt er plötzlich in meiner Hand: ein A4-großer brauner Umschlag, auf dem in schwarzer krakeliger Kinderschrift „An den Weihnachtsmann“ geschrieben steht. Nichts weiter, keine Adresse, kein Absender, keine Briefmarke. Irgendwie nackt und unscheinbar. Ich drehe mich zu einer Kollegin um, die mir auf Nachfrage erklärt, dass solche Briefe gesammelt und an eines der sieben Weihnachtspostämter in Deutschland weitergeleitet werden. In Himmelpforten, Himmelsthür, Engelskirchen und den anderen werden die Briefe dann von ehrenamtlichen Mitarbeitern gelesen und auch beantwortet. Jeder einzelne. Was das Kind wohl schreibt?
Der nächste Brief an den Weihnachtsmann ist ganz anders, als der Erste. Auf ordentlich vorgezogenen Bleistiftlinien wurde säuberlich die Adresse von Himmelspfort geschrieben, eine Briefmarke sitzt in der rechten oberen Ecke, auf dem Briefrücken wurde die Absenderin vermerkt und die Front mit Buntstift gemalten Elchen und Paketen verschönert. Auch einen Engel meine ich zu erkennen. Im Laufe meiner Schicht sortiere ich noch zwei weitere Weihnachtsmann-Briefe aus, beide unfrankiert, aber zumindest mit einer Absenderangabe.
Ich muss die ganze Zeit an den ersten Brief denken. Dieses Kind wird sehr wahrscheinlich keine Antwort erhalten. Aber vielleicht ist das nicht weiter schlimm. Vielleicht ist das Allerwichtigste, dass ein bestimmter Wunsch in Erfüllung geht.
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