Am 23. Juli 2023 schließt der Bierpub „Kupfer- Kessel“ in der Halleschen Straße. Nach drei ereignisreichen Jahren drehen Kathrin Teichmann-Becherer und Thilo Krüger den Zapfhahn zu. Ein herber Verlust für Schkeuditz, schließlich war es die letzte Schankstube hier, die nach 0 Uhr noch die Stellung hielt. Eine letzte Veranstaltung findet aber noch statt, am 22.Juli 2023 der „Abriss“.
Der „Kessel“ ist eher etwas für später abends. Nach dem Abendbrot. Wenn alles andere schließt und man noch keinen Bock hat nach Hause zu gehen. Oder das 20.15 Uhr - Programm im Fernsehen mal wieder nichts zu bieten hat. Für das Feierabendbier nach der Spätschicht. Für abendliche Gesellschaft, wenn zuhause niemand wartet. Tagsüber eher unscheinbar bis abweisend, erwacht „der Kessel“ ab 20 Uhr zum Leben und köchelt sein eigenes Gebräu.
Wenn, dann nur zusammen
Seit 2017 ist Thilo schon da, arbeitet nebenbei im „Kessel“. Eines Tages, Ende 2019 kommt er zu Kathrin nach Hause mit der Nachricht, er müsse sich einen neuen Nebenjob suchen. „Bäumchen“ (Rene`Baumgarten, der Vorpächter) wird den „Kessel“ schließen. Sie erwidert darauf: „Dann mach du das doch!“ Er sieht sie an: „Wenn, dann machen wir das zusammen“.
Gesagt, getan. Voller Feuereifer stürzen sie sich in die Arbeit, auch ein bisschen blauäugig, wie sie heute zugeben. „Den Laden am laufen zu halten ist so viel mehr als nur Bier ausschenken, da ist noch so viel drumherum“ sagt Thilo. Papierkram, Bestellungen und und und. Von Donnerstag bis Sonntag im Laden stehen. Open end heißt eben auch manchmal bis 8 Uhr in der Früh, sie richten sich nach den Gästen. Das geht dann irgendwann an die Substanz. Besonders weil beide noch regulär arbeiten gehen: Kathrin im Büro, Thilo auf dem Bau. Zum Luft holen ist kaum Zeit. Egal. Sie verschönern die dunkle, rustikale Einrichtung, bauen einen gemütlichen Freisitz an. Dann kommt Corona. Sie überstehen es. Und als nach und nach wieder geöffnet werden darf, kommen die Gäste in Scharen.
Es wird Zeit
Das ist jetzt leider nicht mehr so. Die Inflation. „Seit November letzten Jahres kann man sagen, geht die Gästezahl zurück“ sagt Kathrin. Und Thilo ergänzt: „Es schaut halt jetzt jeder in sein Portemonee und überlegt, ob er nochmal in die Kneipe fährt und ein Bier für 4,20 Euro trinkt oder eins zuhause für 80 Cent. Corona hat die Leute gelehrt, dass sie auch mit einem Kasten Bier mit ihren Kumpels zuhause Fußball kucken können“. Dazu kommt das Sommerloch. Und Einbußen, wie sie entstehen, wenn ein Stadtfestfreitag ins Wasser fällt. „Das holst du die restlichen beiden Tage nicht mehr rein“ resümiert Thilo. Die Stammgäste kehren nach wie vor ein, ab und zu kommt auch so mal jemand. Aber es reicht nicht, um die Kosten zu decken. “Es ist unser Baby, aber wir müssen jetzt die Reissleine ziehen“ fasst Thilo zusammen.
Leicht fällt ihnen der Abschied nicht, im Gegenteil. Er ist schon da, der Liebeskummer, die Wehmut. „Die ganze Energie, die wir reingesteckt haben, kam von den Gästen zurück“ erzählt Kathrin.„Das Verhältnis war so gut, dass sich sogar richtige Freundschaften entwickelt haben.“ Und all die Geschichten, darüber könnten sie ein Buch schreiben. Klar, drei Jahre „Kessel“ sind wie zehn Jahre normales Leben. Der Pub war zeitweise mehr Zuhause, wie das eigentliche in Leipzig. Und die Parties erst: Zweimal konnten sie sonntags nicht öffnen: -„Geschlossen wegen gestern“. „Der Boden klebte, der ganze Laden sah aus wie Sau. Vizi brauchte Tage, um das wieder sauber zu kriegen“ lacht Kathrin. Einmal blieb zu, weil die Gäste nachts zuvor den kompletten Bestand geleert hatten. „Zwei drei Flaschen Cola hatten wir noch, das wars“. Die Augen der beiden leuchten, wenn sie von den guten Zeiten erzählen. Drei Jahre Abenteuer. Das kann ihnen niemand nehmen.
Und wie geht es jetzt weiter? Die beiden kehren in ein „normales“ Leben zurück. Sie wollen nachholen, was in den drei Jahren auf der Strecke blieb: Wochenendtrips, Konzerte.
An Geburtstagen und Hochzeiten teilnehmen. Ein bisschen zur Ruhe kommen.
Die Nachfolge des "Kessels" scheint bislang ungeklärt. Dunkel und still wartet er, bis er eines Tages von neuem zu brodeln beginnt.
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Kathrin (Freitag, 21 Juli 2023 13:07)
Herzlichen Dank ♥ sehr schön geschrieben...
Mille (Samstag, 22 Juli 2023 17:42)
Sehr sehr schön geschrieben und vielen Dank an die "Beiden" für 3 schöne Jahre!